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Gesundheit

Allergien und Intoleranzen auf Lebensmittel und andere Substanzen

Nahrungsmittelintoleranzen

Nach unterschiedlichen Berichten im Internet ist jeder vierte Deutsche von einer Lebensmittelunverträglichkeit betroffen. Diese kann sich durch unterschiedliche Symptome bemerkbar machen: Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen, aber auch Hautrötungen, Juckreiz oder Kopfschmerzen. Nesselsucht (Urtikaria, Ausschlag) ist ein typisches Symptom von Nahrungsmittelunverträglichkeiten, es gibt jedoch Menschen, die nie eine Urtikaria hatten, aber dennoch unter Unverträglichkeiten leiden. Gemeinsam ist diesen Unverträglichkeiten, dass man sie im Laufe des Lebens erwirbt. Auslöser sind in der Regel bestimmte Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln, auf die der Körper mit Unverträglichkeitsreaktionen unterschiedlicher Art reagiert.

Unterscheidung Allergie und Intoleranz

Unverträglichkeitsreaktionen (Abb. 1) auf Nahrungsmittel werden gemäß dem Positionspapier der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) nach pathogenetischen Gesichtspunkten eingeteilt: Allergische (immunologische) Mechanismen setzen die spezifische Auseinandersetzung und Einleitung einer allergischen Reaktion vom Soforttyp (Typ I: IgE-vermittelt) oder Typ IV (zelluläre Immunreaktion) voraus. Nicht-allergische/nicht-immunologische Ursachen von Nahrungsmittelintoleranzen bezeichnen ein weites Spektrum struktureller, funktioneller, toxischer und nicht-toxischer Ursachen.

Abb. 1. Einteilung der Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Immunologisch bedingte Nahrungsmittelallergien gehören höchstwahrscheinlich entweder zur Typ-I- oder Typ-IV-Allergie (Abb. 2)

Typ-I-Allergie: IgE-Antikörper-vermittelte allergische Reaktion, sog. „Soforttyp“. Beim Kontakt mit dem Allergen werden sofort Entzündungsmediatoren freigesetzt, die für die allergische Reaktion verantwortlich sind. Das bekannteste Beispiel ist die Pollen- oder Erdnussallergie. Unmittelbar nach dem Kontakt mit dem Allergen verursachen die Entzündungsmediatoren die Reaktion: Augentränen, Naselaufen, Juckreiz, Bronchospasmus, Anschwellen der Schleimhäute im Rachenbereich mit einhergehender Erstickungsgefahr (anaphylaktischer Schock).

Bei sog. Ingestionsallergenen, die erst einmal verdaut werden müssen, bevor sie vom Körper als Allergene erkannt werden, kann die Reaktionszeit auch mehrere Stunden dauern. Das ist oft der Fall bei Allergien gegen Nahrungs- oder Arzneimittel. In diesem Fall treten öfter Magen-Darm-Probleme auf, aber auch systemische Reaktionen sind möglich, wenn die Allergene bzw. die Entzündungsmediatoren ins Blut gelangen.

Es gibt auch Typ-I-Allergien, bei denen die Symptome nicht ausgeprägt, IgE-Antikörper aber dennoch vorhanden sind. Diese nennt man Sensitivität.

Typ-IV-Allergie: Zellulär vermittelte Spätallergie (verzögerter Typ = "delayed type hypersensitivity"). Allergenspezifische T-Lymphozyten reagieren mit dem Antigen, führen diese zur Zellvermehrung und zur Aktivierung von weiteren, unspezifischen Entzündungszellen. Diese Zellen lösen durch Ausschüttung weiterer Mediatoren lokale und systemische Entzündungen aus. Verzögert ist die Reaktion, da sie sich viel langsamer entwickelt als die bei einer Typ-I-Allergie, typischerweise 12-72 Stunden nach dem Kontakt mit dem Allergen. Bekanntes Beispiel für eine Typ-IV-Allergie ist die Nickelintoleranz (Allergie auf nickelhaltigen Schmuck).

Abb. 2. Vergleich Typ-I- und Typ-IV-Allergie.

Immunologisch bedingt ist auch die Zöliakie (Glutenallergie). In diesem Fall handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, bei der vermutlich Gluten (Getreideklebereiweiß) nicht vertragen wird. Durch eine fehlgeleitete Immunantwort finden sich im Blut des Patienten Antikörper gegen Gewebstransglutaminase, welche die Schleimhaut selbst angreifen. Zu den Hauptsymptomen zählen Durchfall, Erbrechen, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit und Malabsorption.

Zu den nicht-allergischen/nicht-immunologischen Ursachen von Nahrungsmittelintoleranzen gehören Enzymdefekte und funktionelle oder strukturelle Ursachen.

Bei einer Laktoseintoleranz wird das speziell notwendige Enzym (Laktase) nicht in ausreichender Menge produziert, um die jeweiligen Kohlenhydrate abzubauen. Bei Fruktose- und Sorbitintoleranz sind die Transportproteine defekt, welche Fruktose bzw. Sorbit in die Dünndarmzellen transportieren sollen. Daher spricht man von einer Malabsorption. In allen drei Fällen gelangen die zurückgebliebenen Kohlenhydrate in osmotisch wirksamer Form in den Dickdarm. Sie werden dort durch bakterielle Zersetzung zu kurzkettigen Fettsäuren, Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff umgewandelt, die Meteorismus, Flatulenz, Bauchschmerzen und Diarrhöen induzieren.

Histaminintoleranz: Die Histaminunverträglichkeit beruht auf einer Abbaustörung des vorwiegend exogen aufgenommenen Histamins. Am häufigsten wird auf einen Mangel des für den extrazellulären Histaminabbau verantwortlichen Enzyms Diaminoxidase (DAO) hingewiesen. Aber auch die für den intrazellulären Histaminabbau verantwortliche Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) kann dabei betroffen sein. Weiterhin gibt es Lebensmittel (z. B. Kaffee, Tomaten, Zitrusfrüchte), welche die Freisetzung von körpereigenem Histamin triggern; diese nennt man Histaminliberatoren (s. unten: Listen zum Herunterladen).

Das Beschwerdebild der Histaminintoleranz ist sehr vielfältig und betrifft nahezu alle Organe. Die Symptome reichen von typischen Hautrötungen (Flush, Urtikaria), gastrointestinalen Beschwerden (Blähungen, Diarrhö), respiratorischen Beschwerden (Schnupfen, Asthmaanfälle), kardialen Komplikationen (Hypo- und Hypertonie, Arrhythmien) bis hin zu Kopfschmerzen oder Menstruationsbeschwerden bei Frauen. Die bereits bei gering erhöhten Histaminkonzentrationen einsetzenden Magensäuresekretion und Kontraktion der glatten Muskulatur erklären, weshalb viele Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien (Histamin wird ja bei jedem Allergietyp freigesetzt) unspezifische Magen-Darm-Symptome wie Völle- und Spannungsgefühl oder Schmerzen äußern.

Salicylatintoleranz: Die klassischen Symptome der Salicylatintoleranz sind respiratorische Beschwerden (Sinusitis, Asthma bronchiale), sie kann jedoch auch zu Magen-Darm-Beschwerden mit Meteorismus, Flatulenz, Diarrhöen und führen. Der Salicylatintoleranz beruht auf einer Hemmung der Cyclooxygenase 1 durch Salicylate und andere nicht-steroidale Schmerzmedikamente, mit der Folge einer verminderten Prostaglandinsynthese. Bei intoleranten Personen ist dabei eine Aktivierung von basophilen und eosinophilen Leukozyten, Makrophagen, Mastzellen, Thrombozyten und Lymphozyten erkennbar. Salicylate verursachen also die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren, unter anderem Histamine, deswegen ist es leicht, eine Salicylatintoleranz mit einer Histaminintoleranz zu verwechseln (s. unten: Listen zum Herunterladen).

Dysbiose (bakterielle Fehlbesiedlung): gute Darmbakterien produzieren Vitamin K für den Körper und kurzkettige Fettsäuren, um die Darmschleimhaut zu ernähren. Dominieren schlechten Bakterien die Darmflora, kommt es zu Fäulnis statt Aufbauprozessen. Fäulnis führt ähnlich wie die Kohlenhydratmalabsorption oft unspezifisch zu Meteorismus, Flatulenz, Diarrhö und Schmerzen bei vielen Lebensmitteln (s. bei Kapitel „Der Darm und seine Krankheiten“).

Erhöhte intestinale Permeabiliät (Sickerdarm): die Frage bleibt, ob das Huhn oder das Ei zuerst da war? Lebensmittelallergien, die erst im Erwachsenenleben auftreten, haben schon Jahre oder sogar Jahrzehnte vor ihrem Ausbruch angefangen. Verzehrt man ein Allergen, reagiert der Körper allergisch darauf mit Ausschüttung von Entzündungsmediatoren. Diese Reaktion findet auf der Darmschleimhautebene statt. Es ist zwar die Funktion der Entzündungsmediatoren, das Immunsystem zu aktivieren, um den Körper vor größeren Schäden zu schützen, doch daneben schaden sie der Schleimhautbarriere selbst. So kommt es dazu, dass die Schleimhaut „löchrig“ wird ("leaky gut" = erhöhte Durchlässigkeit des Darms, s. auch Kapitel Der Darm und seine Krankheiten). Die Translokation von Allergenen (intakte Proteine aus der Nahrung) vom Darmlumen in die Submukosa (Teil der Schleimhaut) ist ein Auslöser für Entzündungen, an denen auch die Mastzellen beteiligt sind.

Pankreasinsuffizienz: die Bauchspeicheldrüse funktioniert nicht einwandfrei, das heißt, sie produziert nicht genügend Verdauungsenzyme (Amylase, Protease, Lipase usw.). Wird die Nahrung im Darm nur schlecht verdaut, können ihre Bestandteile nicht aufgenommen werden, sondern verbleiben länger unverdaut im Darm. Das führt zu Gärung und Reizung des Darmes.

Unter Intoxikation versteht man streng genommen eine Vergiftung (durch Pflanzen-, Bakterien- oder Pilztoxine), doch auch etwas Mildes kann die empfindliche Schleimhaut reizen! Gedacht ist hierbei z. B. an scharfe Gewürze (Curry, Chili), reizende Stoffe in Lebensmitteln (wie Oxalsäure, Salicylsäure, Fruchtsäure) oder Alkohol und Lebensmittelzusatzstoffe.

Den Rest des Artikels können Sie in meinem Buch "Tückische chronische Krankheiten und deren Abhängigkeit von der Ernährung" weiterlesen.

Quellen:
Klimek, Ludger und Keller, Klaus-Michael (2016): Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen: Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme, in: Hessisches Ärzteblatt, Nr. 3. pp. 141-144.
Institut für Medizinische Diagnostik Berlin
Valenta, Rudolf, Hochwallner, Heidrun und Pahr, Sandra (2015): Food Allergies: The Basics, in: Gastroenterology, 148(6) pp. 1120–1131.
Menche, Nicole (Hrsg., 2016): Biologie, Anatomie, Physiologie, 8. Aufl., Elsevier GmbH München, Urban und Fischer Verlag.
Schweizerische Interessengemeinschaft Histamin-Intoleranz (SIGHI)
https://de.wikipedia.org/wiki/Allergie